1. Sind dir irgendwelche
Aufnahmerituale in die Band bekannt? Was muß man
mitbringen, um in Bonehouse zu zocken? Haben sich generell über
die Jahre Macken eingeschlichen, die man nur mit "typisch Bonehouse"
kommentieren könnte...
Philipp: Mitbringen sollte der oder die
Neue am besten die nächste, fertig komponierte Platte! Ideale Voraussetzung
für `ne Einstellung...
Tatsächlich gehen wir aber davon aus, dass unsere Besetzung stabil
bleibt und wir keinerlei Wechsel vornehmen müssen. Erst vor zwei
Jahren haben wir mit Späthi einen "Neuen" in die Band
aufgenommen, den ich mal gefragt habe, was für ihn "typisch
BONEHOUSE" sei. Für ihn war das so: Er kannte die Band vor
seinem Einstieg recht gut und ihm war klar, dass wir keinen selbstverliebten
Musikerfritzen suchen, der so daherkommt, als habe er `nen Stock verschluckt.
Vielmehr geht es uns bei aller Liebe zur Musik auch darum, dass wir
eine Einheit mit Idealen wie Antifaschismus, Nonkonformität oder
Individualismus verkörpern. Nix mit "only in it for the music"!
Gleichzeitig haben wir auch keinen Bock auf PC-Fanatiker, die hysterisch
werden, wenn man sich mal seine Klamotten vom Leib reißt auf der
Bühne. Da sollte schon ein gewisser Humor und die Fähigkeit,
über sich selbst lachen zu können, vorhanden sein... Und wenn
der/die Kandidat/in dann noch einige Nächte im Café Stietzel
(der "Kneipe" unseres Drummers Kalle) übersteht oder
sogar genießt, dann ist er wahrlich ein erstzunehmender BONEHOUSE-Aspirant!
2. Ihr wagt seid
Jahren einen Eiertanz zwischen Metal, HC und Punk. Was
spornt mehr an?? Schubkastendenker mit Euer Musik in die Eier zu treten
oder
tolerante Musikliebhaber mit Eiern dieselben mit Euer Musik zu kraulen?
Philipp: Beides kann anspornen, aber wenn
Du mich festnageln willst, dann gibt mir letztere Variante mehr, denn
positive Reaktion sind motivierender als ständig gegen Vorurteile
anzukämpfen. Wir sind im Grunde ja geradezu verwöhnt von guten
Kritiken und wenn dann mal ein Schubladennazi mit einer Verordnung für
ein musikalisches Reinheitsgebot ankommt, kommt das im Kontrast für
uns ganz witzig. Eine Kritikerin hat neulich mal geschrieben, unsere
Mucke eigne sich "höchstens zum viel Bier trinken, mitgrölen
und wild durch die Gegend pogen" (Scream). Das klingt für
mich schon wieder nach einer Platte, die ich mir sofort anhören
würde... Diese Schubladenfreaks scheint es auch nur bei Zeitschriften
und nicht im wirklichen Leben zu geben, zumindest sind sie uns bisher
nie leibhaftig begegnet. Offenbar gibt es vielmehr viele Leute, die
diese Mischung mögen, wenn sie denn authentisch ist und nicht aufgesetzt.
Die meisten Leute mit Faible für Krach schätzen es doch, wennet
ordentlich kracht und scheißen auf irgendwelche Genregrenzen!
Beim Schreiben der Songs sind uns aber beide Positionen egal, denn es
sind äußere Faktoren, die uns nicht beeinflussen. Wir geben
einfach unserem inneren Drang nach und lassen raus, was immer sich in
uns regt - und sind über das Ergebnis oft selbst erstaunt.
3. Was hat sich
seit Euren Frühtagen verändert? Ist es spannend, den Prozess
des Erwachsenwerdens und sich selbst zu entwickeln in einer Band zu
erleben?
Welche Abgründe taten sich da bereits auf, von denen Du früher
nicht mal im
Traum gedacht hast?
Philipp: Du musst Dir reinziehen, dass
wir mit BONEHOUSE im nächsten Jahr bereits zehnjähriges Jubiläum
feiern. Hätte vor zehn Jahren gar nicht gedacht, dass ich überhaupt
so alt werde! Die Entwicklung mitzuerleben, ist total spannend für
mich. Denn wir haben wirklich sehr bescheiden begonnen und am Anfang
waren unsere Songs wirklich ein übles Geeier und Gerumpel. Auch
die Gigs waren alles andere als tight. Aber irgendwie haben wir immer
weitergemacht und das ständige Zusammenspiel hat uns enorm reifen
lassen: Vom knüppeligen HC mit Grind-Einflüssen sind wir doch
immer punkiger und rockiger geworden, haben dabei aber auch unsere (Thrash)
Metal-Seite immer gehegt und gepflegt. Es ist wirklich geradezu schockierend,
wie flüssig und - schluck! - melodisch unsere Songs jetzt klingen.
Ich kann aber nur vor unseren Gitarristen in die Knie gehen, die das
Ganze mit geilsten melodischen Leads und Finessen versehen, keine Ahnung,
wie die das immer hinkriegen. Eine Veränderung ist auch, dass ich
Gigs wesentlich ernster nehme als früher, ich empfinde da mittlerweile
eine Verantwortung gegenüber dem zahlenden Fan, der unsere Platten
kennt und zu recht eine bestimmte Qualität erwartet. Als "erwachsen"
würde ich uns als Band allerdings noch lange nicht bezeichnen,
wir befinden uns noch knietief in der Rotzlöffel-Phase und werden
Euch hoffentlich noch als Opas nerven!
4. Eurer neues
Album heißt sich nicht ohne Grund "Vorwärts in die
Selbstverstümmelung" (frei übersetzt). Wie kommt man
zu solch bösem
Sarkasmus?
Philipp: Ich kann live tatsächlich
oft nicht der Versuchung widerstehen, mir das Mikro vor den Latz zu
ballern, bis ich Sterne seh. Komischerweise schaffe ich es aber nie,
dass wirklich mal Blut spritzt, ich hab nach der Show nur immer überall
rote Flecken - sehen aus wie Teenager-Pickel (mit Mikro-Muster allerdings).
Der Plattentitel ist aber vom kultigen US-Comic "Milk & Cheese"
geklaut, eine sehr empfehlenswerte Serie, in der es um zwei rebellische
tägliche Produkte geht, halt `ne Milchtüte und `n Käse,
die in vermenschlichter Form alles in Grund und Boden kloppen und pöbeln,
was sie nervt. Auf einer Ausgabe laufen sie auf dem Cover direkt auf
den Betrachter zu - mit zerbrochenen Gin-Buddeln in den Pranken - und
brüllen: "Onward To Mayhem!" Das hat mich inspiriert,
zumal man diesen Schlachtruf vielfältig deuten kann. So wie du,
oder als Aufruf, genau jetzt alles plattzumachen, was Dich ankotzt oder
einfach nur als wilden Schrei, mit dem man sich in ein geiles Konzert
stürzt. Letztere Variante behandelt übrigens der gleichnamige
Song, der beschreibt, wie der graue Alltag durchbrochen wird: Gerade
wenn Du denkst, dass um Dich herum nur arme Mutanten dahinvegetieren,
entdeckst Du einen Flyer oder ein Plakat und weißt: Das Leben
hat doch einen Sinn! Du kannst Dich unter Gleichgesinnte begeben, pogen
und bangen, vor die Bühne kotzen und dich dabei einfach nur als
Mensch fühlen, von den Ketten der Zivilisation befreit. "I`ve
had enough and I`m bursting out, I`m going mad in this idiot crowd
RIOT - ONWARD - RIOT - TO MAYHEM!"
5. Ich habe Eure
Scheibe bei mir zu Hause zwischen Skit System, Wolfpack und
den Loud Pipes einsortiert. Findest Du, sie steht dort gut??
Philipp: Allerdings, Alder! Sehr gut sogar,
ich muss Dir hiermit einen hervorragenden Musikgeschmack bescheinigen,
Volkmar! Alle drei Bands stehen bei uns hoch im Kurs und werden permanent
gedudelt. Gänsehaut! Man kann zwar nicht unbedingt sagen, dass
wir reinen Crust à la SKIT SYSTEM machen, aber der Einfluss ist
sicherlich da. LOUD PIPES stehen uns stilistisch noch näher, sind
sie doch dreckig, straight, punkig und etwas melodisch. "Downhill
Blues" sollten viel mehr Leute kennen!
Nebenbei interessant, dass Du nach Stilrichtungen sortierst, wir streiten
uns in der Band permanent, ob denn nun die alphabetische, geographische
oder autobiographische Sortierweise die einzig richtige ist!
6. Wie gehst Du
mit dem Symbolismus der Szene um. Es ist ja schick, sich rote
Sterne aufs Designerbluson zu kleben und einen auf Revoluzzer zu machen.
Glaubst Du, dahinter steckt irgendwelche Substanz?
Philipp: Da sprichst du ein trauriges Thema
an, denn natürlich steckt bei vielen Spacken keinerlei Substanz
dahinter, das ist nur Fassade. Da werden einer Szene einfach bestimmte
Symbole entliehen, weil sie gerade als schick gelten. Auch Nietengürtel
und Metalshirts sind ja schick geworden und werden offenbar sogar in
irgendwelchen Nobeldissen getragen. Die betreffenden Pseudoärsche
finden sich dann wahrscheinlich fürchterlich komisch und hip. Solche
Rübennasen sollten mal bei AGNOSTIC FRONT in den Pit geschubst
werden. Dieses Kopiergehabe setzt sich meines Erachtens noch in anderen
Bereichen fort: Der 1. Mai hat gerade wieder gezeigt, wie eine Idee
völlig pervertiert wird, bis ihre ursprüngliche Bedeutung
nicht mehr erkennbar ist. Denn revolutionäre Ansichten schienen
mir die randalierenden Kids nicht mehr verfolgt zu haben, lediglich
die Suche nach dem Adrenalin-Kick durch Randale ohne inhaltliche Ziele.
7. Leider leider
ist ja die braune Brut nach wie vor ein Thema, daß sich
nicht ignorieren lässt. Welche persönlichen Erfahrungen hast
Du mit Revanchismus,
Deutschtümelei und Neonazismus erlebt?
Philipp: Die ersten Erfahrungen gehen in
meine Schulzeit zurück. Ein Klassenkamerad, eigentlich ein völlig
harmloser Hippie, wurde von einer Horde Fascho-Glatzen zu Hause überfallen
und so misshandelt, dass er ein Auge verloren hat. In einem anderen
Fall ein paar Jahre später wollte eine ähnliche Bande Neonazis
eine Punker-WG überfallen, landete aber in der falschen Wohnung,
in der eine Bekannte von mir wohnte. Da sie gerade allein war, brachen
die feigen Schweine ihr mit Baseball-Schlägern mehrfach die Arme.
Diese dummen und feigen Anschläge haben in mir den Hass auf die
braune Szene geschürt. Außerdem hatte ich einen Lehrer, der
im Unterricht ständig revanchisitische Ansichten vertreten hat.
Mir wurde damals klar, dass unser System auf dem rechten Auge blind
ist, denn dieser Pauker konnte jahrzehntelang unterrichten, während
linke Lehrer für vergleichsweise harmlose Äußerungen
der Schule verwiesen wurden. Für mich deshalb eine Selbstverständlichkeit,
aktiv zu werden und den braunen Abschaum zu bekämpfen. Ich könnte
mich daher auch in meinen Texten nicht mit Zombies, Burgen oder Fantasy-Storys
befassen, gibt es doch reale Dinge, denen ich meinen Hass widmen kann.
Mit Genugtuung haben wir registriert, dass wir den Faschos inzwischen
ein Dorn im Auge sind, gab es doch bereits rechte Drohmails im Gästebuch
unserer Homepage, natürlich immer anonym. Auf keinen Fall werden
wir zusehen, wie die HC- oder auch die Metalszene von braunen Ratten
unterwandert wird.
8. Ehrlich gesagt
ist "Fascist Pig" auf Eurer neuen CD mit einem
derart superben positiv Melodie Drive versehen, daß die Message
hier schon
fast ein wenig ad absurdum geführt wird. Oder siehst Du das anders?
Philipp: Du hast absolut recht, wenn Du
bei diesem Stück einen Gegensatz entdecktst. Aber dieser scheinbare
Widerspruch ist gar keiner, vielmehr ist diese Mischung typisch für
BONEHOUSE. Wir haben zwar kritische und meinetwegen politische Textinhalte,
lassen uns deswegen aber die gute Laune und das Feiern nicht verderben!
Wäre ja noch schöner, wenn man angesichts all der Scheiße,
die täglich abläuft, verbittern würde. Nope, wir schöpfen
positive Energie aus unserem Hass und legen auch Wert darauf, dass Außenstehende
das mitkriegen. Du wirst uns live nicht mit erhobenen Zeigefinger erleben,
wir halten uns schließlich auch nicht für schlauer als dat
Publikum. Ich habe das immer bei englischen Punkbands wie OI POLLOI
geschätzt, die ihre Anarcho-Sonx live mit einem lockeren Spruch
auf den Lippen präsentiert haben.
9. Was ist Dir generell wichtig?
Philipp: Da muss ich kurz ausholen: Mit
18 habe ich zwar meinen Führerschein gemacht, aber ich habe es
gehasst, hinterm Steuer zu sitzen. Und ich bin stolz darauf, seitdem
nie wieder Auto gefahren zu sein (immerhin 16 Jahre)! Ich hoffe daher,
dass ich weiterhin ohne Auto auskomme, bin nämlich begeisterter
Radfahrer. Autofahren saugt! Autos saugen!! Allerdings steh ich auf
Beifahren, ich liebe lange Fahrten nach einem Konzert-Wochenende, da
kann man herrlich entspannen, aus dem Fenster stieren, einen Humpen
trinken und ein Buch dabei lesen.
Bezogen auf BONEHOUSE mag ich auch das ganze Drumherum, Post beantworten,
Leute kennenlernen, geile Bands zu treffen und vor allem live zocken.
Ich denke, dass eine Band sich durch Beständigkeit auszeichnet
und daher hoffe ich, dass wir in dieser Form noch diverse Scheiben und
Gigs hinlegen werden.
10. Welche Note
bekommen Bonehouse im Aftershowing?? Traust Du Dir ein
Selbsteinschätzung zu?
Philipp: Ich muss schon sagen, Volkmar,
Du bist ein Meister der Doppeldeutigkeit! Aber ich werde nicht auf die
dreckige Vision eingehen, die Eure verdorbene Leserschaft beim Wort
"Aftershowing" zweifelsohne hegt. Nein, ich sage Dir, was
bei uns nach der Show läuft: Um dem ständigen Gesaufe ein
Ende zu setzen und somit unsere Lebenserwartung zu erhöhen, haben
wir "das literarische Quintett" ins Leben gerufen. Funktioniert
so: Vor einem Gig soll man uns mailen, was für einen Schinken der
Besucher gedenkt, aftershow vorzustellen. Wir lesen den dann alle vorher
und nachem Konz gibt`s die fette Lesung: Vor der unbestechlichen BONEHOUSE-Jury
muss der Kandidat aus der Schwarte ausgesuchte Stellen lesen und interpretieren.
Dann wird hammerhart diskutiert und spekuliert - manchmal bis in die
frühe Morgenstunde. Gibt auch Nierentee und Fladenbrot gratis dazu!
Wenn`s gefällt, wird der Vorleser mit `nem feuchten Kuss belohnt
(besonders beliebt sind polnische Aphorismen). Ja, ist `ne Supersache,
man lernt neue Bücher kennen und säuft nicht mehr so viel!
Spart auch Rechnungen für zerbrochenes Mobilar, denn nur selten
fliegen bei so einer Lesung Fernseher aus dem Fenster. Na ja, und wenn
mal keiner mit `nem Buch kommt, saufen wir dann halt doch, bis die Pupillen
platzen...
11. Ob philosophisch
oder praktisch, Du kannst das Ende dieses Interviews
völlig frei gestalten...
Philipp: Ja super, verbinden wir doch das
Praktische mit dem Philosophischen und verweisen auf unsere homepage
www.bonehouse.de! Denn da findet Ihr nicht nur hochphilosophische Song-
und sonstige Texte, sondern auch praktische Gig-Termine, Photos und
den üblichen Schmonz. Ansonsten abschließend Danke für
die Unterstützung und das Interesse!
AGAINST THE MUTANT HORDES!
Philipp + BONEHOUSE
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