Interview

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Plastic Bomb #41 (2003)

 

1. Ollen, wat geht ab in Kiel?! In der letzten Zeit sind mir doch eine ganze Reihe von Bands aufgefallen, die gut etwas drauf haben.

PHILIPP: Ja, auf die Kieler Szene bin ich auch ein bisschen stolz. Gibt für diese kleine Scheißstadt echt erstaunlich viel Bands. NOISE FOREST zum Beispiel sind die nettesten Typen, die man sich vorstellen kann. Ich glaube, die einzige, die es länger gibt als uns! (Aber auch mit sehr stark veränderter Besetzung). Bin auf die neue Platte gespannt, ist auch bei Ulf aufgenommen. Den müsstest Du übrigens kennen, er hatte früher wohl auchmal Briefkontakt mit Dir (hat ganz früher mit Kalle bei THE SCAPEGOATS gespielt, dann auch mit Kalle bei GO AHEAD, dann bei TINY GIANTS, MADISON und jetzt SUBURBAN SCUMBAGS). EINMAL EIN GOTT SEIN sind auch gute Kollegen, der Basser Marcel war früher bei uns (Gründungsmitglied) und hat noch dat erste Demo miteingespielt. Großartige Band, kam nicht jeder mit klar - zu sick? Leider gerade aufgelöst! Echt schade. Andere wirklich gute Bands: SMOKE BLOW (neue Platte "German Angst" in Arbeit! Kalle schreit bei einem Song die Backings), TYPHOON MOTOR DUDES (mit unserem Ex-Klampfer Helge), ABGELEHNT (D-Punk mit einer besonderen Note, Platte mit Cover von Pete ist in Arbeit), IRREN OFFENSIVE (kennste ja), MADISON (gibt`s auch weiterhin), DRAUTRAN (fetter Death Metal) und natürlich THE CREETINS (andere hab ich jetzt bestimmt noch vergessen). Alles gute Freunde, alle aber auch wirklich geil! Ist hier noch ziemlich unverbraucht ohne Konkurrenzdenken (oder ich krieg`s nicht so mit). Auf der anderen Seite gibt`s hier ja auch V-PUNK, die - wenn nicht rechtsoffen - mindestens aus Rotlichtknete finanziert werden. Fuck `em.
2. Um nochmal auf Eure Platten zurück zu kommen. Ich bin ja nach wie vor erschlagen von dem komprimierten BONEHOUSE Overkill, d.h. das du mir alle Eure Platten zugeschickt hast. Seit Ihr immer bei einem Lable gewesen, d.h. bei Earth A.D.? Wer ist denn der Typ hinter dem Lable? Das hört sich ja schon so an, als ob Ihr mit ihm sehr gut klar kommt.

PHILIPP: Aber Recht haste, der Christian Huber von Earth A.D. hat ein kleines, aber feines Label am Start. Mit Bewerbungen bei irgendwelchen Firmen haben wir uns eh nie beschäftigt, ursprünglich wollten wir alles auf D.I.Y.-Basis lassen. Deshalb hatten wir die "Symmetry Of Decadence" auch komplett in Eigenregie durchgezogen und nur an Magazine verschickt. Aber Huber hat irgendwo eine gute Rezi gelesen und uns um einen Samplerbeitrag angehauen. Wir hatten zu dem Zeitpunkt aber gar keinen Bock auf Sampler und lehnten ab, schickten ihm aber die Cd mit der Anfrage, ob er sie mitvertreiben könne. Tja, und da er von der Scheibe sehr begeistert war, bot er uns dann einen Re-Release und einen Plattenvertrag auf 2 Longplayer an. Da alles sehr unbürokratisch und unkompliziert verlief, waren und sind wir mit Earth A.D. vollauf zufrieden. Ohne die Unterstützung hätten wir unsere Platten nicht in der Form realisieren können, ist schon alles gut gelaufen so. Mittlerweile arbeiten ja auch RAWSIDE mit Earth A.D. zusammen, was uns sehr gefreut hat, denn lange Zeit waren wir doch die einzige Hardcore-Band bei Earth A.D. (er hat sonst noch AMPERSAND, FLYSWATTER, WALLCRAWLER u.a. Klamotten veröffentlicht).
3. Und wie isset eigentlich zu der Vinylversion der neuen Platte "Onward to Mayhem" auf dem französichem MASS PRODUCTIONS Lable gekommen?

PHILIPP: Die Vinyl-Version von "Onward To Mayhem" hätte Huber auch gemacht, aber wir hatten einfach mal Bock, ein bisschen rumzuprobieren, ob wir auf anderen Vertriebswegen nicht noch ganz andere Leute erreichen können. Daher haben wir uns zum ersten Mal richtig bei ein paar Labels beworben (speziell für dieses Vinyl also), u.a. übrigens auch bei Social Bomb, he he. Und da der Vince von Mass Productions gleich sagte, dass er Bock drauf habe und Klappcopver, dickes Vinyl usw. kein Problem seien, hamwer dat halt gemacht. Cool auch, dass Earth A.D. keinerlei Lizenzknete dafür haben wollten, sondern einfach CD´s gegen LP`s getauscht haben. Da legt uns Huber keine Steine in den Weg, er sieht Veröffentlichungen auf anderen Labels nicht als Konkurrenz, sondern als Werbung für die Band und somit auch für die Platten, die er von uns draußen hat.
4. Wie ich eurer "Onward to mayhem"-LP gelesen hab, seid ihr in die "good night white pride"-Kampagne involviert. Erzählt doch mal was sich hinter dieser Kampagne steckt...

PHILIPP: Die "Good Night White Pride"-Kampagne halten wir für unbedingt unterstützenswert. Es dürfte ja wenigen Leuten entgangen sein, dass auf HC-Konzerten vermehrt Fachos auftauchen. Persönlich habe ich das auf dem letzten "Wirth Full Force"-Festival gesehen, wo bei Bands wie AGNOSTIC FRONT, SLAPSHOT oder DISCIPLINE mitten im Pit ungeniert Leute mit eindeutigen Tattoos und Emblemen (von "Blood & Honour"-Scheiße bis hin zu Hakenkreuzen!) "tanzten". Die Idee hinter der Kampagne ist, diese Leute auf keinen Fall zu tolerieren und aktiv zu bekämpfen. Um mal das Info der Kampagne zu zitieren: "Die Kampagne ist als Plädoyer für aktiven und direkten Aktionismus zu verstehen, der den Rassisten und Faschisten z.B. bei Konzerten deutlich macht, dass sie von den Idealen des Hardcore nicht toleriert werden". Am Beispiel der Black Metal-Szene sieht man ja, wie verheerend sich eine unpolitische Haltung auswirken kann, denn diese wurde von Faschos zumindest in Teilen unterwandert. Daher finde ich es traurig, wenn Leute aus der Hardcore-Szene meinen, Musik habe nix mit Politik zu tun! Wir sind genau gegenteiliger Meinung: Ohne seine kämpferischen Wurzeln, die sich gegen jegliche diskriminierenden Strukturen richten, verkommt Hardcore zu einer leeren Hülse! Und wenn ich mir einige Bands angucke, die auf der Bühne den harten Macho/Straßenkämpfer raushängen lassen, kann ich nur sagen, dass die sich nicht wundern brauchen, wenn sie ein entsprechendes Klientel anziehen.

Die Kampagne basiert übrigens auf dem D.I.Y.-Prinzip, es ist von Seiten der Betreiber ausdrücklich erwünscht, dass sich jeder das Logo schnappen kann und sich damit ein T-Shirt anfertigen lassen oder Flyer weiterkopieren kann usw. Ich finde es auch sehr erstrebenswert, dass das Logo der Kampagne auf möglichst vielen Hardcore-Platten prangt, denn die Wahrscheinlichkeit, dass die sich ein Fascho dann noch zulegt, dürfte doch erheblich sinken. Auf unserer Seite gibt`s einen Link zur Kampagne, die direkte Adresse ist: http://www.good-night.de.lv/ ! Nett ist immer wieder das Forum, wo sich regelmäßig rechte Dumpfbacken mit unterirdisch dämlichen Sprüchen outen...
5. Ihr kommt aus Kiel. Und das Thema V-PUNK und eventuelle rechte Verstrickungen der Band und Kontakte zum Zuhälter-Millieu machten vor einigen Monaten die Runde. Wollt ihr euch dazu äussern und eure Sicht der Dinge darlegen?

PHILIPP: Ich bin zwar kein Experte in Sachen V-Punk, aber nach allem, was ich mitbekommen habe, handelt es sich offenbar nicht um Gerüchte. Der Hauptmacker der Band - ein gewisser Zeljko Topic - kann wohl als Vermieter der Kieler Rotlichtszene bezeichnet werden. Ich kenne ihn allerdings nicht persönlich, aber dieser Umstand wird von Dutzenden Leuten bestätigt. Was ganz klar ist: Nachdem V-Punk zunächst ein (für die Punk-Szene) "normales" Publikum zogen, hat sich das vor ein paar Jahren massiv geändert. Bei einem Konzert in Kiel waren zahlreiche Hell`s Angels und Bones anwesend, die die Punks im Publikum als "Zecken" beschimpft und zusammengeschlagen haben. Der Hammer: Diese Hell`s Angels trugen V-Punk-Shirts und waren dort als Ordner tätig. Nach diesen Ereignissen sind alle anderen Mitglieder aus der Band ausgestiegen und daraufhin hat der Zeljko u.a. einen Musiker aus einer bekannten rechtsradikalen Band dazugeholt ("Kraftschlag" oder wie sich die Penner nennen). Als die hiesige Antifa davon Wind bekam, wurde jeder Versuch, ein V-Punk-Konzert in Kiel stattfinden zu lassen, vereitelt. Bei einem dieser Versuche (wieder mal in einer Disco, die dem Kieler Puff zugehörig ist!) wurden von der Polizei zahlreiche aktenkundig rechtsradikale Personen vorm Klub abgefangen. Die Band hat sich in der Folge von entsprechenden Vorwürfen zu distanzieren versucht, aber ich selbst habe einen Aufkleber der Band mit der Deutschlandfahne und den Worten "Ich liebe Deutschland" gesehen. Das ist zwar nicht rechtsradikal, aber doch sehr fragwürdig für eine angebliche Punkband. Die Band behauptet jetzt, sie habe nichts davon gewusst, dass der betreffende Musiker eine rechte Vergangenheit habe, man wolle nur Musik machen bla bla bla. Solche Statements waren dann ja auch im Plastic Bomb zu lesen, und in #39 bedankt sich der V-Punk-Mainman in einem Leserbrief artig für den Abdruck derselben "mit 2xs freien Fickschein-Gutschein." Soweit meine Sicht der Dinge, mal sehen, ob ich jetzt auch Morddrohungen bekomme wie diverse andere Leute, die sich negativ über V-Punk geäußert haben... 6. Warum wurde die neue Platte nicht wie der Vorgänger "Steamroller" in Schweden aufgenommen? Der Sound war damals doch ziemlich bombastisch...! Alter Schwede, wat geht?!!!

PHILIPP: Doch klar, die "Steamroller" haben wir in Schweden im Sunlight-Studio aufgenommen. War einfach eine Idee von uns, mal wat Anderes auszuprobieren. Denn Ulf Nagel (hat u.a. auch die Scheiben von THE CREETINS, SMOKE BLOW, TURBOSTAAT etc. produziert) hatte ja bereits alle vorherigen Aufnahmen gemacht und zudem zu der Zeit kein Studio zur Verfügung. Und so riefen wir einfach mal bei Tomas Skogsberg durch und waren erstaunt, dass er recht kurzfristig Zeit hatte und der Preis recht human war. Unser Label hat dann gesagt, dass sie die Produktion löhnen, wir aber Reise- und Übernachtungskosten selber tragen müssen. Die Geschichten von 5 Bonehouse-Asis in einem 4-Bett Zimmer einer Stockholmer Jugendherberge verkneif ich mir jetzt mal... Ja, der Sound ist gut geworden, die Fahrt hatte sich gelohnt. ABER: Wir wussten, dass Ulf - mittlerweile wieder mit festem Studio, besserem Equipment und vor allem noch mehr Erfahrung - das toppen kann. Während wir in Schweden ständig den Zeitdruck im Nacken hatten, konnten wir diesmal mit Ulf alles in Ruhe angehen und die Songs schon im Vorfeld mit ihm durchsprechen. Ulf kennt uns alle ja seit Ewigkeiten und weiß, wie er dat Maximale aus jedem Einzelnen rauskitzeln kann. Das hat er dann auch perfekt umgesetzt und im Studio eine Live-Atmosphäre erzeugt. Das Schlagzeug wurde gleich von zwei Klampfen begleitet, die dann komplett auf der Aufnahme bleiben konnten und jeder Song wurde höchstens in zwei Takes eingerotzt. Wenn dann irgendwas nicht hingehauen hat, sind wir lieber erstmal zum nächsten Titel übergegangen, statt etwaige Verkrampftheit aufkommen zu lassen. So knallt die Scheiße!
7. Wie ich bei Eurem Konzert in Duisburg mitbekommen habe, wird der Lemmi von OFFENZ LINE Eure nächste 7" heraus bringen. Wann wird die denn nun heraus kommen?

PHILIPP: Die 7" über OFFENZ LINE ist bereits im Presswerk und soll schon auf der Tour verscherbelt werden. Wenn dat Inti hier erscheint, sollte man dat Schmuckstück also schon beim Mailorder seines Vertrauens erwerben können. Enthalten sind mit "Wankers" und "Lawless War" übrigens 2 Songs, die wir ursprünglich mit auf die "Onward To Mayhem" packen wollten. Doch dann hätte das Ding über 50 Minuten auf dem Buckel gehabt, was uns doch etwas zu lang erschien. Es war gar nicht einfach, sich darauf zu einigen, welche Songs wir nu weglassen sollen, aber es gibt ja keinen Streit, den eine kleine bandinterne Schlägerei nicht lösen könnte... Beide Songs sind typische BONEHOUSE-Brecher mit fiesen Riffs und Mitgröhl-Refrains. "Wankers" handelt von der Zersplitterung der Punk/HC-Szene in viele kleine Subgenres, was meiner Meinung nach Ineffektivität zur Folge haben kann, denn wie sollen wir unsere wahren Feinde bekämpfen, wenn wir damit beschäftigt sind, uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen? Und "Lawless War" hat einen klasssischen Anti-Kriegs-Text in der Tradition von DISCHARGE.
8. Habt Ihr über OFFENZ LINE nicht auch schon etwas veröffentlicht?

PHILIPP: Richtig, der Lemmi von OFFENZ LINE hat uns bereits auf der letzten Tour mit SMOKE BLOW angehauen und uns mit einem koketten Augenaufschlag signalisiert, dass er gern unsere nächste Scheibe rausbringen wolle. Doch wir blieben unserem Label treu, konnten ihm aber immerhin eine Split-10" mit THE FYREDOGS anbieten. Zu diesem Zeitpunkt hießen die übrigens noch RUN FAT BOY RUN und haben eher Hardcore gespielt, später benannten sie sich dann um und zocken nun Punk`n`Roll. Das kann man auch auf der 10" hören, auf der sich die beiden Bands mit je einem Srück gegenseitig covern (neben jeweils zwei eigenen Songs). Das ist nicht nur musikalisch recht kontrastreich ausgefallen, sondern auch in der Hüllengestaltung: THE FYREDOGS zeigen brennende Würfel, Flammen und `nen Totenkopp, wir ein im Abriss befindliches Gebäude.
9. Kannst du mir vielleicht mal kurz erklären, was das mit dem Abriß/Baugruben Foto auf der 10" an sich hat?

PHILIPP: Gerne: Tatsächlich ist das nicht irgendein Haus. Jedem Kieler, der irgendwas mit der hiesigen Underground-Szene zu tun hat, dürfte bei dem Photo das Herz bluten, denn in diesem charmanten Haus befanden sich unter dem Namen "Musico-Gebäude an der Hörn" ein Klub und zahlreiche Proberäume. Die Gigs fanden im oberen Stockwerk statt, direkt hinter der Bühne befand sich eine Fensterfront, durch die man man direkt auf den Kieler Hafen blicken konnte! Einmalige Atmosphäre also. Hier wurden bis 1999 viele unvergessliche Gigs von Punk-, Hardcore- und Metalbands aus aller Welt gespielt. Wir selber haben unsere Release-Gigs zu den ersten drei Platten dort durchgezogen und auch als Besucher immer mörderischen Spaß dort gehabt. Offiziell war das Ding nicht für Auftritte genehmigt, daher durften nur Parties mit bis zu 100 geladenen Gästen dort stattfinden. Bei Konzerten konnte dann jederzeit ein Verteter der Stadt vorbeikommen und dat kontrollieren, man saß dann an der Kasse und hat mit unschuldiger Miene eine Fake-Strichliste mit 80 Strichen oder so präsentiert, während oben der Punk abging. Tatsächlich hatten wir beim beim "Steamroller"-Release-Gig 280 zahlende Gäste... Mitte `99 wurde das Musico-Gebäude dann brutal abgerissen, jegliche Proteste halfen nix, locker 40 Bands wurden ohne wirkliche Alternative vor die Tür gesetzt und auch Klub-technisch bleibt in Kiel mit der Meierei nur noch ein Laden für Punk/HC-Subkultur. Ein Computerzentrum wurde dorthin gestellt, und als Pseudo-Ersatz wurde der Musico e.V. ein verrotteter Bunker angeboten, dessen Renovierung (ca. 200.000,- DM!) sich kein Arsch leisten konnte.
10. Was ist eigentlich aus dem tollen neu gebauten Gebäude geworden?

PHILIPP: Ich wünschte, ich könnte Dir berichten, dass wir es mit 1000 mutigen Punkern gestürmt und abgerissen hätten! Aber da steht es, ganz schick jetzt an der modern sanierten Kieler Hörn, mit gigantischer Fenster-Front in Wellenform und einem tollen Namen ("ision"). Und das Schlimmste: Jeden Tag muss ich da mit dem Fahrrad vorbei fahren und den Anblick ertragen! Immer wenn ich Zeit hab, halte ich kurz an und uriniere an die Seitenwand...
11. Gibt es bei Euch eine grundsätzliche Auslegung der Texte?Von den einstigen Metal-mäßige Texten der Anfangszeit habt Ihr Euch ja ziemlich entfernt. Wie geht Ihr heute mit den Inhalten um?

PHIIPP: Waren die früheren Texte Metal-mäßiger? Das würde mich wirklich interessieren, denn als Verantwortlicher habe ich da natürlich wenig Distanz. Ich habe mich nie an irgendwelchen Genres oder Schubladen orientiert, sondern einfach über Dinge geschrieben, die mir persönlich wichtig oder interessant erschienen. Einfach gesagt: Schon auf "Symmetry Of Decadence" und "Dogbite" habe ich mich ordentlich ausgekotzt über alles, was mir auf die Nerven ging. Das waren z.B. die Verlogenheit unseres sogenannten Sozialstaates, der die Kluft zwischen arm und reich permanent größer werden lässt ("Kicked Into Poverty"), Waffenschieber & Kriegstreiber ("Living In The Cold"), Individualität ("Why Should I ?") oder blinder Befehlsgehorsam ("Unanswered Prayer"). Aber trotzdem hast Du nicht Unrecht, wenn Du sagst, dass da eine Veränderung bei uns stattgefunden hat. Zum einen habe ich allen überflüssigen lyrischen Ballast über Bord geworfen und gehe die Sachen schon von der Wortwahl direkter an, was sich in offensiveren Texten und Titeln niederschlägt (z.B. "Shove That Money Up Your Ass", "I Don`t Think So", "Disarm Charlton Heston" oder "You Won`t Change Me"), die natürlich auch punkiger wirken. Und das hat direkt mit einer zweiten Änderung zu tun: Dem Älterwerden (glaube ich)! Mit 34 sehe ich die Dinge mittlerweile anders, differenzierter, mit noch mehr Wut im Bauch und vor allem mit einem ganzen Sack von Erfahrungen mehr in der Hinterhand. Für mich haben sich mit der Zeit diverse Positionen verfestigt und deshalb vertrete ich nach fast 10 Jahren BONEHOUSE antifaschistische und antidiskriminierende Inhalte mit defintiv größerer Vehemenz. Um ein konkretes Beispiel dieses Prozesses zu geben: Früher habe ich mir über sexistische Texte von z.B. LOKALMATADORE (die ich ansonsten sehr geil finde!) weit weniger Gedanken gemacht und habe diesen Bereich zumindest toleriert, heute jedoch habe ich einfach aufgrund eines Lernprozesses den Hals voll, wenn ich solche Scheiße höre. Mittlerweile weiß ich eben beispielsweise, dass mit internationalem Frauenhandel mehr Kohle gescheffelt wird als mit dem gesamten internationalen Waffenhandel! Und die kalte Wut über diese Zustände wird sich auch in den nächsten Songs niederschlagen, einer heißt z.B. "Cock Rock Bullshit", wo diese ganzen Möchtegern-Schwanzrocker fett was auf die Fresse kriegen... Ich kriege halt das Kotzen, wenn ich in sog. PUNKROCK-zines gucke und diese coolen Typen sehe, die vor fetten Autos und mit nackten Frauen posieren! IHR SAUGT, IHR SCHEIßPOSER!!!

12. Siehst du Eure Show, speziell jetzt Live Performance, eher als Entertainment an? So, wie du auf der Bühne abgehst, könnte man dich als den Robin Williams des Punk Rock und Hardcore bezeichnen!!

PHILIPP: Den Robin Williams kenn ich nur vom Namen her, aber bei aller Ernsthaftigkeit, die hinter den Texten steckt, finde ich doch, dass ein Live-Gig Spaß machen soll. Ich kann da wirlich nicht aus meiner Haut, ich muss auf der Bühne Scheisse labern! Ich denke aber, dass die Leute trotzdem mitkriegen, dass hinter der "Show" einiges an Aussage steht. Letztendlich ist Humor für mich ein ganz wichtiger Bestandteil des Punk, allerdings eine ganz bestimmte Art von respektlosem, schwarzem Humor, der der Fratze der alltäglichen Schrecken ins Gesicht lacht. Es ist eine gewisse Gradwanderung: Ich will weder zum Entertainer verkommen, der sein Programm stupide runterspult, noch will ich das Publikum mit aufklärerischer Wichtigtuerei nerven. Denn ich bin mir bewusst, dass ich nur meine Meinung vertrete, die nicht mehr Bedeutung hat als die von jedem anderen Freak. Daher versuche ich bei jedem Gig einfach völlig aus dem Bauch heraus zu agieren und das zu machen, wonach ich mich gerade fühle. Das klappt nicht immer, ist schon oft in die Hose gegangen, aber so bleibt die Geschichte für mich und damit vielleicht auch für andere interessant.

13. Du hast ja gerade gesagt, das du gar nicht anders kannst – ist das so, weil dir die Krankenkasse keine Therapie gezahlt hat und du dich nun auf diese Art und Weise so entladen mußt?

PHILIPP: He, he - als eine Art Therapie kann man das wohl tatsächlich bezeichnen! Ich bin mir ganz sicher, dass es mir verdammt gut tut, regelmäßig alles rauszubrüllen, was sich an negativen Emotionen in mir aufstaut. Das alte Kartharsis-Argument halt. Würde sicherlich so einigen Leuten auch helfen, die tagsüber ihre Arschbacken zusammenkneifen und dann nach Feierabend zwanghaft versuchen, die Sau rauszulassen...


14. Bitte erzähl mir doch mal, warum Ihr nicht einfach in einen Fußball Klub oder in eine Break-Dance AG im sozialen Brennpunkt gegangen seid, und statt dessen ausgerechnet BONEHOUSE gegründet habt?!

PHILIPP: Alder, wat `ne Frage! Scheißt ein Bär in den Wald? Natürlich! Ändert ein alter Hardcore-Hund seine Gewohnheiten? Natürlich nicht! Und alle Mitglieder von BONEHOUSE hatten nun mal schon lange vor Gründung dieser Band Blut geleckt und in diversen Punk-, HC- und Metalkapellen gezockt. Kalle sogar schon seit `81 bei ANTI-POLICE, später dann bei THE SCAPEGOATS und noch später bei GO AHEAD. Wir kannten uns natürlich schon seit den frühen Achtzigern, irgendwann hat Kalle sogar mal bei meiner damaligen Primitiv-Deutsch-Punk-Band A.L.D.I. vorgegespielt, aber die Band hat ihn als zu schlecht empfunden!!! Als Kalle und ich uns nach Auflösung unserer vorherigen Bands dann endlich zusammentaten, um unserem Hass auf DAS VERFICKTE SCHEISSSYSTEM freien Lauf zu lassen, wilderten wir in den Jahren frech bei anderen Kieler Bands und stahlen SCHIZOPHRENIA den Klampfer (Helge), SUB-EFFECT den Bassisten (Martin) und später auch noch den Klampfer (Pete) sowie (nach Helges Ausstieg) den DESPERADOS einen weiteren Klampfer (Späthi), was natürlich zur völligen Annihilierung erwähnter Bands geführt hat. Doch wir empfanden keine Scham bei unserem Treiben! Was sollten wir anderes tun? Für Fussball zu unsportlich, für Discos zu asozial und für Break-Dance nur Verachtung im Blut...

15. Heutzutage seid Ihr ja eher als Hardcore-Metaller in der Szene bekannt. Eure ersten Platten hörten sich noch sehr todesmetallisch an. Hat sich Euer Stil gezielt in diese Richtung entwickelt, oder liegt es daran, das Euer Drummer wie das Tier bei den Mupptes nur seinen einzigartigen Hau-drauf-Stil beherrscht (he-he!)?

PHILIPP: Naja, da wir (Kalle und ich) schon damals nix drauf hatten außer primitivem Geknüppel und gutturalem Gebrüll, mußten wir halt erstklassige Saitenakrobaten aus fähigen Bands rekrutieren, damit irgendwelche Songs entstehen. Die haben es wohl auf den ersten Releases geschafft, irgendwelche niveauvollen Death Metal-Einflüsse unterzubringen, doch nach ein paar Jahren mit uns auf der Bühne (was nichts anders bedeutet als zahllose Schläge mit dem Mikro auf den Hinterkopf... Es gibt kein schöneres Opfer als so ein Gitarrist/Bassist, der seine Saiten zupfen muss!), hatten wir ihr Musikverständnis auf unseres reduziert. Insofern schon eine verdammt gezielte Änderung... Das mit dem Muppet-Drumstil stimmt nebenbei gesagt natürlich auch! Wir stellen Kalle bei jedem neuen Song vor die Wahl: "Spiel Beat A oder Beat B!" Falls es noch mehr Takte geben sollte, sind die zumindest Kalle nicht bekannt...

16. Regelt Ihr Eure unterschiedlichen Auffassungen über Musik beim Proben eigentlich immer noch mit kleinen dezenten Schlägereien? Wer hat diesbezüglich die größten Hoden bei Euch?

PHILIPP: Nun verleitest Du mich ja wirklich zum Plaudern aussem Nähkästchen... Ganz im Ernst nu: Da brennt wirklich oft ganz schön die Luft, wenn es ums Erarbeiten neuer Songs geht! Eine Band, in der nur ein Macker diktiert, was musikalisch ablaufen soll, hat es vermutlich einfacher. Da aber bei BONEHOUSE jeder seinen Senf dazugibt, kann das schon mal in ...äh... Diskussionen enden. Es gibt aber keinen, der sich letztendlich irgendwie häufiger durchsetzt, jeder bringt seinen Einfluß in dat Gesamtmachwerk ein! Also dat alte Motto: HODEN AN DIE WAND!


17. Im kommenden Jahr ist Euer Haltbarkeitsdatum bereits seit 10 Jahren überschritten. Ansonsten sollte man sich über so etwas schämen, aber ich kann mir bei Euch vorstellen, das Ihr genau das feierlich begehen wollt? Ist da etwas bestimmtes geplant zum 10-jährigen?

PHILIPP: Jegliche zeitlichen und räumlichen Grenzen der Scham haben wir schon längst überwunden. Uns ist mit Mitte 30 eher gar nix mehr heilig und daher stehen wir auch zu zehn verschwendeten Jahren auf der Straße, in irgendwelchen verschimmelten Proberäumen und sündhaft teuren Studios. Und wenn ich so sinniere, dann sind 10 Jahre BONEHOUSE in unserer schnelllebigen Zeit wahrlich ein Grund zum Feiern!! Ich selber habe andere Bands immer respektiert, die Werte der Beständigkeit und Kontinuität hochgehalten haben. Und daher werden wir dat allerdings fett feiern. Es wird auf jeden Fall in Kiel eine Art Jubiläums-Gig geben, Davon abgesehen sollte ja nächstes Jahr auch irgendwie die nächste Scheibe von uns rausgehauen werden und vielleicht gibt es dazu ja auch eine Tour. Beschissene 10-Jahre-Raritäten-Sampler wird es aber ganz sicher nicht geben! Da machen wir lieber geile neue Sachen, als irgendwelche bereits veröffentlichten Sachen unter neuem Namen nochmal rauszubringen... He, übrigens hat Lemmy mit MOTÖRHEAD auch erst losgelegt, als er 30 war! Das macht doch Hoffnung!

18. Seit Eurer "Steamroller" CD habt Ihr in der HC-Szene einen enormen Sprung nach vorne gemacht. Eure Präsenz auf den hiesigen Bühnen hat merklich zugenommen. Ist das FORCE ATTACK Festival für Euch eher die Ausnahme oder spielt Ihr ständig auf Konzerten solcher Ausmaße? Was steht als nächstes an?

PHILIPP: Da haste recht, so seit 1999/2000 können wir uns nicht über mangelnde Gig-Angebote beklagen. Glück? Bestechung? Jedenfalls alles ohne dickes Management oder sonstige "professionelle Strukturen" im Rücken. Earth A.D. sind für Booking-Geschichten zu klein, alle Kontakte haben wir uns also selbst erarbeitet. Allerdings ist da irgendwann dieser Typ namens Boller aufgetaucht, der sich immer häufiger bei uns in den Bus mit rein gezwängt hat. Irgendwann hat der noch zusätzlich Auftritte rangeschleppt und nun werden wir ihn nicht mehr los und flehen ihn an, uns auch ab und zu mal frei zu geben.... Da das FORCE ATTACK ja schon das größte Punker-Festival in Deutschland ist, war das für uns natürlich auch eine eher große Geschichte. Cheers to Veranstalter Imre, der uns ganz unbürokratisch auf eine einfach von mir hingeschickte CD eingeladen hat! Nach der Tour im Oktober mit RAWSIDE gibt`s erstmal diverse Wochendkonzis, guckt diesbezüglich immer mal auf unsere Seite www.bonehouse.de. Es sind einige Sachen mit befreundeten Bands fürs nächste Jahr geplant, aber bevor nix 100%ig feststeht, möchte ich da nix verraten, O.K.?

19. Klär´mich doch mal über die bandinterne Aufteilung auf Konzerten auf! Wer holt Bier, wer darf beim Groupie-Abfassen als erster "Hier!" brüllen, wer haut die anderen raus wennet auffe Fresse gibt? Aber noch wichtiger: WAS darf Kalle NICHT?!

PHILIPP: Du bist zwar erschreckend gut über uns informiert, aber in bezug auf Kalle lautet die Frage definitiv: Was DARF Kalle? Vor der Show nämlich grundsätzlich garnix! Da wird Kalle heutzutage generell in Ketten gelegt, um sämtliche potentiellen Entgleisungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Das war nicht immer so, wurde aber zwingend nötig, als wir merkten, dass sämtliche Alkohol-Vorräte bereits vor Showbeginn geleert wurden und auch diverse Klubs obskure Rechnungen über zerstörte Inneneinrichtungen verlangten. Aber die Zwangsmaßnahme hat den Vorteil, dass Kalle doppelt so heftig in sein Schlagzeug drischt, wenn er losgelassen wird. Klar - er muss die aufgestauten Energien loswerden und will möglichst schnell an den Kühlschrank! Und auch schön: Seitdem Kalle in Ketten liegt, sind die bandinternen Blessuren merklich zurückgegangen...

Das mit den "Groupies" verzeihe ich Dir nochmal, denn vielleicht ist Dir das Symbol des ANKERS entgangen, welches viele unserer Cover/T-Shirts ziert! Und so ein Anker steht nun mal für Bodenständigkeit, für das "Verhaftet-Sein-An-einer-Stelle." Da läuft nichts mit freier Liebe oder ähnlichem Hippie-Schweinkram! Nein, wir sind unseren Gemahlinnen treu im Zeichen des Ankers. TOD ZU FREIER LIEBE IM ZEICHEN DES ANKERS!

Äh, ja. Was war noch? Bierholen? Du meinst doch nicht etwa, dass das etwas mit der Hierarchie innerhalb der Band zu tun hat? Das würde ja heißen, dass ich... VERDAMMT - igendwas läuft hier schief!

20. Wat geht mit diesem von Euch sexuell abhängig gemachten Skinhead, der Euch auf Konzerten ganz hart den Sound macht? Ist das Euer 6. Bandmitglied? (gimme all the gossip about Lewe!!!)

PHILIPP: Lewe! Noch so ein Typ, der plötzlich da war und nicht wieder gegangen ist! Nur hat Lewe irgendwann den Mixer eines Klubs beiseite geschoben und an den ganzen tollen Knöpfen so lange rumgedreht, bis alle Anwesenden Fönfrisuren hatten (und das will heißen bei den ganzen Rastas, Zottels und Struwwellpeters im Publikum). Das hat uns imponiert - und so isser nu fest dabei als unser amtlicher Mischer. Nach anfänglicher Soundfindungsphase klappt das ganz hervorraggend, und der MITTELGROßE, DURCHSCHNITTLICH HÜBSCHE SKINHEAD hat mit uns eine tolle Zeichensprache ausbaldowert, die unendlich lange Gespräche mit hauseigenen Mischern perfekt ersetzt: Daumen nach oben: "Lauter, Mann!". (Für die richtige Handhabung dieses Zeichens brauchte Kalle ziemlich lange, hielt er es doch irrtümlich für "O.K. Super so.", was dann doch für Verwirrung und Tinnitus sorgte), Daumen nach unten: "Leiser, verdammt". Daumen in den Arsch: "Heute Nacht ich, Lewe!".

21. Wat für Waschlappen spielen eigentlich bei Holstein Kiel in der Regionalliga. Bekommen die extra Asche dafür, das sie gegen alle anderen Teams verlieren?

Boller: die guten (fußball)spieler sind alle zu hanballspielern, via umschulung arbeitsamt,umgeschult worden, die
dann umgehend ´beim kieler thw eingesetzt werden.
deswegen macht der thw auch alle anderen vereine immer platt,und ist deutscher meister. "
Interview: Helge Schreiber

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